Offener Brief des Bürgermeisters Uwe Scheler zur Berichterstattung über die Beschlüsse in der letzten Stadtratssitzung
Offener Brief
Richtigstellung und Gegendarstellung zur Berichterstattung in der Tageszeitung „Freies Wort“ am 08.02.2023 auf Seite 13 und am 09.02.2023 auf Seite 15
In der Tageszeitung „Freies Wort“ wurde am 08.02.2023 auf Seite 13 unter der Überschrift „Stadtrat verpasst Stadtchef einen Dämpfer“ über die Beschlussfassung in der Sitzung des Stadtrates am 06.02.2023 zur Änderung der Hauptsatzung berichtet.
Richtig dargestellt wurde, dass drei Fraktionen des Stadtrates einen Antrag auf Änderung der Hauptsatzung zur Beschlussfassung eingereicht haben, durch welchem u.a. die Wertgrenzen zur Vergabe von Aufträgen und der Genehmigung von über- und außerplanmäßigen Ausgaben in Zuständigkeit des Bürgermeisters je Einzelfall wie folgt verringert werden sollten:
Derzeit rechtsgültig Änderungsantrag
Vergabe Lief./Leist. 50.000 € 10.000 €
Vergabe Bauleistungen 100.000 € 30.000 €
Vergabe freiberufl. Leist. 50.000 € 20.000 €
Gen. überplanm. Ausg. 20.000 € 5.000 €
Gen. außerplanm. Ausg. 10.000 € 2.500 €
Der Antrag wurde fristgerecht zur Beschlussfassung am 06.02.2023 eingereicht, war begründet und ist inhaltlich legitim.
Über die Abstimmung wurde wie folgt berichtet - Zitat:
„Mit 10 Ja-Stimmen zum Nein des Bürgermeisters und zwei Enthaltungen von AfD-Mann Andreas Hofmann und Stadtratsvorsitzenden Thomas Schröder(FWR/SPD/FDP) findet der Änderungsantrag mehrheitlich Zustimmung.“
Dies suggeriert im Zusammenhang mit der Überschrift, dass die Änderung der Hauptsatzung tatsächlich erfolgt ist.
Gegenüber der erfolgten Berichterstattung ist nun aber richtig zu stellen, dass der Antrag nicht die erforderliche Mehrheit der Stimmen aller Stadtratsmitglieder gemäß § 20 Abs. 1, letzter Satz, der Thüringer Kommunalordnung erhalten hat. Bei der Abstimmung handelte es sich lediglich um die Mehrheit der anwesenden Stadtratsmitglieder. Somit hat der Antrag zur Änderung der Hauptsatzung am 06.02.2023 eben nicht die erforderliche Mehrheit erhalten und somit kann der Beschluss nicht vollzogen werden.
Unabhängig von den formellen Erfordernissen zur Änderung der Hauptsatzung möchte ich inhaltlich wie folgt Stellung nehmen:
Mit Inkrafttreten der Hauptsatzung vom 14. März 2019 hat der Stadtrat unter § 8 die derzeit noch rechtsgültigen Wertgrenzen in Zuständigkeit des Bürgermeisters festgelegt. Diese Entscheidungskompetenz unterliegt selbstverständlich immer dem Grundsatz der Verfügbarkeit von Haushaltsmitteln und Auftragsvergaben erfolgen nach den geltenden Vergabevorschriften. Diese Wertgrenzen im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel wurden in den vergangenen 4 Jahren von mir eingehalten - ich habe meine Kompetenzen nicht überschritten.
Durch die höheren Wertgrenzen war vor allem eines möglich, nämlich Entscheidungen im vorgegeben Rahmen schnell zu treffen. Künftig wird es einen erweiterten Sitzungsplan geben müssen, um annähernd schnell zu arbeiten.
Für alle über die Wertgrenzen für den Bürgermeister hinaus gehenden Vergaben, über- oder außerplanmäßigen Ausgaben liegen Beschlüsse des Haupt- und Finanzausschusses bzw. des Stadtrates vor. Selbstverständlich gilt der Grundsatz, dass über- und außerplanmäßige Ausgaben in der Regel vor deren Entstehen zu genehmigen sind. Dies war auf Grund der preislichen Entwicklungen in den letzten beiden Jahren nicht immer rechtzeitig machbar, aber doch zum sehr überwiegenden Teil.
Selbst Stadtrat Philipp Müller (DIE LINKE) wird diesbezüglich im Pressebericht vom 09.02.2023 auf Seite 15 unter der Überschrift „Neuhäuser Haushaltsgebaren erntet Kritik“ dazu zitiert: „Es sei das dritte oder vierte Mal, dass das bei außer- oder überplanmäßigen Ausgaben so gehandhabt werde,..“
Die Nach-Bewilligung der Erhöhung der außerplanmäßigen Ausgaben für die Ukrainehilfe im Jahr 2022 war also das dritte oder vierte Mal für eine Nachbewilligung – und das in 4 Jahren…
Anders ausgedrückt – der Durchschnitt dieser Fälle liegt bei einem pro Jahr.
Meines Erachtens erweckt die Überschrift der Berichterstattung vom 09.02.2023 den unwahren Eindruck, die Stadtverwaltung und der Bürgermeister hielten sich grundsätzlich nicht an die kommunalrechtlichen und haushaltsrechtlichen Vorschriften oder der Bürgermeister überschreitet ständig seine Kompetenzen und seine Zuständigkeiten.
Dem war und ist nicht so.
Die Beschlussfassungen des Stadtrates und der Ausschüsse sind dokumentiert und werden sicher auch im Rahmen der derzeit stattfindenden überörtlichen Prüfung des Thüringer Rechnungshofes in der Stadtverwaltung Neuhaus am Rennweg für den Zeitraum 2018 bis 2022 mit überprüft.
Abschließend noch eine Art Rückblick und Ausblick auf die Entwicklungen in der Stadt Neuhaus am Rennweg und insbesondere auch auf die Verfügbarkeit von finanziellen Mitteln:
Für alle größeren Investitionsprojekte wurden und werden Projektbeschlüsse des Stadtrates über das jeweilige Bauprogramm herbeigeführt, damit die Stadtverwaltung auf rechtssicherer Grundlage arbeiten kann.
Große Investitionsprojekte seit 2019 bis heute waren und sind u.a.:
-
Gemeinschaftsmaßnahme Ortsdurchfahrt L1112 Scheibe-Alsbach
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Gemeinschaftsmaßnahme Sonneberger Straße 1. BA und 2. BA
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Baumaßnahme Leninstraße
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Baumaßnahme Hoher Schuss in Piesau
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Baumaßnahme Marktplatz in Steinheid
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Errichtung einer neuen Fahrzeughalle im Bauhof
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Ersatzbeschaffung von Fahrzeugtechnik für den Bauhof und für die Feuerwehren
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und natürlich das Bürgerhaus.
Ja – auch für das Bürgerhaus wurde der Projektbeschluss am 20.07.2020 und alle weiteren Fortschreibungen vom Stadtrat bestätigt. Die Begründungen für die Beschlüsse liegen ebenfalls öffentlich vor. Das Bürgerhaus als neuer Sitz der Stadtverwaltung war und ist ein Ergebnis oder eine Folge der letzten Eingemeindung und auch der geltenden Vorschriften für öffentliche Verwaltungen hinsichtlich Barrierefreiheit und Digitalisierung im Zusammenhang mit dem OZG.
Ich verstehe den Stadtrat aktuell nun zu 100 Prozent, dass aufgrund knapper werdender Haushaltsmittel deren Verwendung – auch für kleinere Summen - im Rahmen eines Gremiums gemeinsam abgewogen und priorisiert werden soll. Wie bekannt ist, hat die Stadt den Haushaltsausgleich für 2023 noch nicht erreicht und es ist deshalb noch kein Haushalt 2023 beschlossen. Es gelten derzeit die Bestimmungen über die vorläufige Haushaltsführung.
Deshalb werden wir auch ohne formale Änderung der Hauptsatzung künftig zahlreiche Beschlussfassungen im Haupt- und Finanzausschuss gemäß dem vorliegenden Antrag durchführen.
Wenn ich die Transparenz für städtische Entscheidungen für den Stadtrat und die Öffentlichkeit dadurch noch weiter verbessern kann, dann bin ich der erste, der dafür einsteht. Nur lasse ich mir nicht anlasten, ich hätte irgendwelche Bestimmungen missachtet oder ich würde mit den städtischen Finanzen verantwortungslos umgehen. Dem muss ich widersprechen und das richtig stellen.
Nun kommt der in diesem Jahr schwierige Haushaltsausgleich für mich kein bisschen überraschend.
Bereits im Herbst 2018 habe ich den Stadtrat in öffentlicher Sitzung mehrfach darauf hingewiesen, dass die Eingemeindung der ehemaligen Gemeinden Lichte und Piesau auf Dauer nicht ausfinanziert ist und dass die Stadt die früheren Eingemeindungen von Steinheid, Scheibe-Alsbach und Siegmundsburg zum damaligen Zeitpunkt finanziell noch nicht verarbeitet hatte.
Ich habe darauf hingewiesen, dass der Investitionsstau in der Stadt selbst, in den „älteren“ und auch in den „neuen“ Ortsteilen immens ist und die Stadt absehbar diese Lasten nicht tragen kann. Aktuell schätze ich den Investitionsstau auf insgesamt 100 Millionen Euro ein. Sehen Sie sich Straßen, Gehwege und öffentliche Gebäude an, der Missstand ist offensichtlich.
Seitens der Vertreter der Landesregierung wurde mir als Bürgermeister damals bereits geraten, eben erforderliche Investitionen zeitlich um 5 bis 10 Jahre auch in der Stadt selbst sowie in allen Ortsteilen zu verschieben.
Der Investitionsstau bestand und besteht auch im Neuhäuser Stadtzentrum, siehe den Investitionsbedarf an Kulturhaus, Marktplatz, Schwimmhalle usw. Der Stadtrat musste dabei den Umbau und die Erweiterung des Gebäudes für die Stadtverwaltung gegenüber dem Kulturhaus und den anderen Vorhaben priorisieren, da es sich im Gegensatz zur Stadtverwaltung, die pflichtige Aufgaben erledigt, bei den anderen Vorhaben um den freiwilligen Aufgabenbereich handelt.
Ich habe damals auch darauf hingewiesen, dass die Folge von einem unterfinanzierten Haushalt die Kürzung von Haushaltsmitteln im freiwilligen Aufgabenbereich – also auf sportlichem und kulturellem Gebiet, die Erhöhung von Gebühren und Benutzungsentgelten und auch von Grund- und Gewerbesteuer sein wird.
Mit dieser Vorausschau war mir die Zustimmung zum Beschluss über die freiwillige Eingemeindung von Lichte und Piesau persönlich nicht möglich. Der Stadtrat hatte aber mehrheitlich den entsprechenden Beschluss gefasst und dieser wird seit 01.01.2019 vollzogen.
In meiner Berechnung im Jahr 2018 habe ich das Haushaltsdefizit für 2021 prognostiziert. Es ist mit Verzögerung nun erst 2023 eingetreten. Grund dafür ist, dass der Freistaat Thüringen 2020 und 2021 umfangreiche Ersatzzahlungen für Corona-bedingte Gewerbesteuerausfälle und ebenfalls Ausgleichszahlungen für Erholungsorte für entgangene Einnahmen aus fehlendem Tourismus geleistet hat. Diese konnte man in der Vorausschau 2018 noch nicht absehen.
Corona, Krieg, Energie- und Wirtschaftskrise haben in den Jahren 2020 bis 2022 und bis laufend alles verändert - Strukturen, Preise, zeitliche Abläufe. An diesen Auswirkungen ist weder Stadtrat noch Bürgermeister Schuld – sie waren und sind noch weiterhin weltweit und allumfassend spürbar – privat, in den Unternehmen und in öffentlichen Einrichtungen.
Ich stelle abschließend fest, egal, wer über die Verwendung der verfügbaren finanziellen Mittel bestimmt, egal wer Vergabebeschlüsse fasst, egal ob Stadtrat, Ausschuss oder Bürgermeister – es ist einfach nicht genügend Geld da, die Städte und Gemeinden sind im Allgemeinen nicht ausfinanziert. Das stelle ich fest – ausdrücklich entgegen der von der Regierungsfraktion DIE LINKE letztens veröffentlichten Einschätzung. Meine Auffassung teilen zahlreiche meiner Amtskollegen. Es wird auch nicht mehr Geld verfügbar sein, wenn über die Verwendung auch kleinerer Summen künftig ein Gremium entscheidet.
Auch für die vom Stadtrat bisher legitimierten Entscheidungen des Bürgermeisters ist der einzige Maßstab das öffentliche Wohl in Stadt und Ortsteilen – in der Vergangenheit und in der Zukunft.
Solange die Höhe der Kreisumlage jährlich unsere gesamte eigene Gewerbesteuereinnahme umfasst, wird es auch künftig nicht besser werden. Wir nehmen 4 Millionen Gewerbesteuer ein, begründet durch unsere sehr guten und zahlreichen örtlichen Unternehmen, Gewerbe- und Handwerksbetriebe.
Genau denselben Betrag führen wir jährlich als Kreisumlage ab, weil die Landkreise in Thüringen ebenfalls nicht ausfinanziert sind.
Auch hierfür kann man weder dem Stadtrat noch dem Bürgermeister die Schuld geben, die gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich des Kommunalen Finanzausgleiches sind eben so. Mit meinen bisherigen Bemühungen zur Änderung derselben bin ich leider als einzelner, parteiloser Bürgermeister noch nicht sehr weit gekommen.
Ich stehe auch künftigen Mehrheits-Entscheidungen des Stadtrates offen gegenüber und werde wie bereits seit 01.07.2018 die vom Stadtrat demokratisch gefassten Beschlüsse vollumfänglich vollziehen.
Die Gründe für diese Entscheidungen – und auch die diesbezüglichen Berichterstattungen – sollten sich aber auf einem sachlichen Niveau bewegen, in Relation zu den Rahmenbedingungen und nicht als ungerechtfertigte Vorwürfe an den Bürgermeister formuliert werden.
Uwe Scheler
Bürgermeister
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